Rechtsunsicherheit

Nicht nur Hobbyisten und Amateure, sondern auch gestandene Medienschaffende wie Fotografen und Videofilmer, haben das Problem, erstens, nicht genau zu wissen, was sie dürfen, und zweitens, nicht zu wissen, was unter Umständen an rechtlichen Problemen, Vor- und Anwürfen sowie Abmahnungen auf sie zukommen kann.

Diese Situation hat sich durch die unglaublich dämlich verfaßte DSGVO noch erheblich verschärft. Warum dämlich? Weil sie von Kann- und Sollte-Bestimmungen beherrscht ist, die vom Bürger, der versucht, sich gesetzestreu zu verhalten, bezogen auf ihn maximal restriktiv ausgelegt werden. Mit anderen Worten, der Bürger sagt sich: Lieber mache ich mehr als zu wenig, um auf jeden Fall dem Gesetz zu genügen. Das führt sowohl zu Fehlinterpretationen der einzelnen Artikel des Gesetzes als auch zu einem grundsätzlichen (Miß-) Verständnis der DSGVO mit geradezu bizarren Auslegungen wie dem Schild, das angeblich an der Tür einer Metzgerei hing:

Da gibt es nur ein Problem:

Art. 2 DSGVO: Sachlicher Anwendungsbereich

Die Tätigkeit von Menschen, die sich in einem Ladenlokal über die Übertragung von Eigentumsrechten an Wurstwaren unterhalten, fällt nicht unter die DSGVO, auch wenn die Fleischerei sich in der EU befindet

Mir ist unklar, was das gezeigte Blatt Papier sein soll. Ist es ein Witz? Wenn es ein Witz sein soll, wo ist die Pointe? Es ist ja auch nicht lustig, wenn sich jemand an einem Staubsauger verletzt, selbst dann nicht, wenn die Gebrauchsanweisung ausdrücklich darauf hinweist, daß er in einem Zustand sexueller Frustration nicht benutzt werden sollte. So wie Beruhigungstabletten im Straßenverkehr: Fahren sie nicht unter dem Einfluß dieser Pillen! Das Führen von Maschinen etc. etc.

Man kann sich doch nicht über die DSGVO lustig machen, indem man sie auf Bereiche bezieht, in denen sie gar nicht wirksam ist! Oder schicken Sie dem Metzger, der vor Ihnen hinter der Theke steht, Ihren Einkaufszettel per Whatsapp? So bescheuert ist wohl niemand. Und der Verkäufer hinter der Theke hat sicher anderes zu tun, als während des Verkaufs Videos und Fotos anzufertigen und Ihre Einkaufswünsche auf seinem Computer zu dokumentieren. Und zwar personenbezogen!

Nein, er wird Ihnen geben, was sie wollen, soweit er es hat, und Ihnen einen anonymen Kassenzettel ausstellen. Basta. Und die DSGVO verbietet ihm nicht, Sie mit Namen anzusprechen, wenn Sie schon zigmal bei ihm waren und ihn vielleicht sogar duzen.

Es gibt auch Leute, die bei YT verbreiten, man müsse seine Mails jetzt verschlüsseln, weil die DSGVO das so vorschreibt. Nein, das tut sie nicht! In

Art. 32 DSGVO: Sicherheit der Verarbeitung

steht zuoberst:

Unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen treffen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten;…

Im folgenden werden diese Maßnahmen gelistet, für die aber alle durch diesen ersten Absatz festgelegt ist, daß sie nur getroffen werden müssen unter Berücksichtigung technischer Möglichkeiten, der Kosten dieser Verfahren und der Wahrscheinlichkeit des Risikos für die Daten, das unter Umständen besteht und größer oder kleiner bewertet werden kann.

Und es ist auch in die Beurteilung des Betroffenen, also des Besitzers der Daten (nicht des Eigentümers) gestellt, welche Maßnahmen aus technischer und organisatorischer Hinsicht geeignet sind. Gut, es ist nicht genau gesagt, typisch DSGVO, wer jetzt eigentlich festlegen darf, was hier technisch und organisatorisch geeignet ist. Aber diese Eignung muß festgestellt werden. Es steht eben in Art. 32 nicht: “Du sollst verschlüsseln”! Nein, genaugenommen steht dort: “Wenn es sinnvoll und verhältnismäßig ist, dann verschlüssele!”

Damit haben sich die Verfasser dieses unsäglichen Gesetzes schon weit aus dem Fenster gelehnt, denn normalerweise verfügt der Gesetzgeber nicht über das Wissen und die Expertise, um detaillierte technische Verfahrensweisen zwingend vorzuschreiben. Stellen Sie sich mal vor, in der StVO würde stehen: Jedes vierrädrige, zweiachsige, motorisierte Fahrzeug muß über Trommelbremsen an allen vier Rädern verfügen. Was für ein Schwachsinn, oder? Mittlerweile haben wir Scheibenbremsen mit schwimmenden Sätteln, die eine graduelle Verbesserung gegenüber Trommelbremsen darstellen. Man tut also gut daran, Gesetze nicht mit technischen Detailvorschriften aufzublähen, vor allem, weil sich der Gesetzgeber durch so etwas hochgradig angreifbar macht. Solch ein Gesetz könnte dazu führen, daß das Ziel des Gesetzes, nämlich der maximal mögliche Schutz des Bürgers vor Ungemach, weit verfehlt wird, weil die bessere Technik nicht zum Einsatz kommen darf. Ein Gesetz sollte also Ziele vorschreiben, aber nicht die Wege, wie diese zu erreichen sind.

Mittlerweile sind die Subjekte der modernen Gesetzgebung so hypersensibilisiert worden, daß sich kaum noch jemand traut, ein Foto oder Video zu veröffentlichen, auf dem ein Nummernschild zu sehen ist. Auf jeden Fall dann nicht, wenn er mit seinem Namen dafür einsteht. Natürlich kann jeder Depp unter einem anonymen YT-Konto irgendetwas veröffentlichen in der Hoffnung, daß das möglicherweise illegale Material von Betroffenen nicht bemerkt wird oder er als Veröffentlicher ohnehin nicht ausfindig gemacht werden kann.

Aber das eigentliche Problem dabei ist, daß es diese Abmahnungen gibt! Abmahnungen sind so etwas wie Kopfgeldjäger, so eine Art halblegale Zwischenwelt zwischen dem Bürger und der Justiz. Abmahnungen sind der Versuch von Arschlöchern, ein Bußgeld, das eigentlich der Staatskasse zusteht, in die eigene Tasche umzuleiten. Geld verdienen an den vermeintlichen Fehlern anderer, ohne selber einer sinnvollen Erwerbstätigkeit nachzugehen!

Ich will die Verwendung der Bezeichnung Arschloch kurz rechtfertigen: Noch nie habe ich gehört, daß jemand, der eine Abmahnung verschickt hat, vorher um Korrektur des seiner Meinung nach gegebenen Rechtsverstoßes gebeten hat. Man könnte doch jemandem eine Mail schreiben des Inhalts: “Bitte, machen Sie dieses oder jenes, sonst kommen wir nicht darum herum, Ihnen eine Abmahnung…” Wieviel zivilisierter könnte alles ablaufen! Oder ein Mensch, der sich auf einem Foto dargestellt findet, das ihn unvorteilhaft zeigt, könnte doch sagen: “Hey, mach das weg”! Dann kann man reagieren, diskutieren etc. Das garantiert nicht, daß der Konflikt am Ende ohne Gericht gelöst werden kann, ganz klar, aber wenn ich eine Chance habe, Inhalte zurückzunehmen oder zu modifizieren, bevor es zu einer finanziellen Bestrafung kommt, muß ich auch nicht mehr in so einer diffusen Angst vor Problemen und Konsequenzen leben.

[Kleiner Exkurs: Der Sinn von Abmahnungen könnte gewesen sein, die Justiz zu entlasten, indem man solchen Kleinkram der direkten Abwicklung unter Rechtsanwälten überläßt. Aber spätestens seit es Kanzleien gibt, die nur davon leben, ist wohl klar, daß dieses Konstrukt mafiaähnliche Strukturen begünstigt und abgeschafft gehört. Und zwar endgültig und vollständig.]

Jetzt wurden und werden nach wie vor hunderttausende, wahrscheinlich sogar Millionen von Arbeitsstunden in die Verfassung sogenannter Datenschutzerklärungen und Verarbeitungsbeschreibungen gesteckt, ohne daß sich das Verhalten der Firmen, die tatsächlich unsere Daten in ihren eigenen Gewinn verwandeln, ohne uns daran zu beteiligen, auch nur einen Deut ändern würde. Und alles nur aus Angst vor den horrenden Bußgeldern, die bei Verstößen gegen die DSGVO drohen (sollen?) und nicht zuletzt eben vor Abmahnungen.

Ich habe also gestern mein erstes Youtube-Video hochgeladen mit einer Dauereinblendung des Texts Werbesendung. Weil ich nämlich keine Lust habe, eine solche Abmahnung zu erhalten. Die könnte mir drohen wegen unlauterer Werbung bzw. Schleichwerbung. (Und das bei derzeit 14 Abonnenten, denen ich hiermit meinen ausdrücklichen Dank ausspreche, und ungefähr 3000 Abrufen, für die ich mich ebenfalls herzlich bedanke! Aber, das ist YT-Kaffeesatz vom Feinsten.)

Aber wie zur Hölle soll man heutzutage einen Menschen filmen, ohne dabei Artefakte zu zeigen, die möglicherweise von irgendjemandem beworben und verkauft werden? Wie, bitteschön, soll das gehen? Wenn ich mir diese Fernsehkrimis anschaue, in denen das Herstelleremblem auf dem Lenkrad eines BMWs abgedeckt ist, weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll! Oder die abgeklebten Kameras, bei denen (fast) jeder weiß, daß es eine Canon ist, weil man das an dem Einstellrad erkennen kann. Und so könnte ich ewig fortfahren. Wo soll dieser Quatsch denn hinführen, Leute? Können wir mal wieder auf den Boden der Realität zurückkehren?

Jeder weiß, daß man mit Google sucht, googlen (oder googeln) ist in den deutschen Sprachschatz eingegangen. Okay, es gibt Alternativen wie DuckDuckGo, aber warum nimmt der Kommissar dann eben nicht DuckDuckGo, sondern muß vor einem Bildschirm sitzen, auf dem jemand eine Word-Datei so hingefaket hat, daß sie wie eine Suchmaschine aussieht, von der jeder Zuschauer weiß, daß es die nicht gibt, sondern eine freie Erfindung ist, um dem Vorwurf der Schleichwerbung zu entgehen? Ist das nicht irgendwie auch Fake News? Eine Fake World?

Wenn ich also, wie in meinem letzten Video, über den Einsatz eines Inverters als USV rede, muß ich Roß und Reiter nennen, ob ich das will oder nicht, denn irgendjemand stellt Inverter zwecks Erzielung von Gewinn her und verkauft sie. So sieht’s aus im Spechthaus. Un nu? Muß ich den Inverter unter einem schwarzen Schuhkarton, dessen Firmenaufdruck ich vorher abgeklebt habe, verstecken, damit mein Video nicht als getarnte Werbesendung interpretiert werden kann? Muß ich den Hersteller des Monitors abkleben? Aber was, wenn man den Hersteller eines Geräts erkennen kann, obwohl der Name oder das Logo abgeklebt sind (siehe BMW)?

Wie kann man Bürger in einer solchen Gemengelage langsam vor sich hinköcheln lassen, bis alles gut weichgekocht ist und niemand mehr wagt, selbständig zu denken?

Und sich jeder angegriffen und seiner Rechte beraubt fühlen darf, weil ihn jemand auf der Kölner Domplatte aus Versehen mitfotografiert hat beim Versuch, den Dom komplett aufs Bild zu bekommen? Ich rede nicht davon, daß es Charakterschweine gibt, die Unfallverletzte filmen oder fotografieren, die wehrlos auf der Autobahn liegen. Solche Leute sollten im Zweifel hinter Gitter gebracht werden, damit sie kapieren, was Anstand ist. Aber es sollte sich nicht jedes Würstchen ohne Senf echauffieren, weil es in das Bild gelaufen ist, das jemand vom Mont Saint- Michel gemacht hat. Leider kann man die Welt nicht von den Menschen trennen, die auf ihr leben wie Läuse auf dem Hund.

Aber der Gesetzgeber tut nichts, aber auch gar nichts, um die Verhältnisse klarer zu gestalten. Letztlich kommt es unserer Wirtschaft zugute, Rechtsanwaltskanzleien, Beratungsunternehmen und ähnliche Unternehmungen blühen, obwohl gerade letztere oft selber nicht wissen, was Sache ist, aber exzellent darin sind, das zu vertuschen und ihre Meinung als Tatsache zu verkaufen. Aber das Geld, das diese Firmen verdienen, fehlt am Ende als Investition in sinnvolle Dinge. Versteuert wird es so oder so, daher ist es dem Staat wohl wurscht. Denn wer hat schon behauptet, Gesetze müßten sinnvoll sein? Das ist eine naive Annahme, aber diesen Aspekt will ich jetzt nicht auch noch ausbreiten.

 

 

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