Die NZZ, mit Sicherheit kein Teil des Intellectual Dark Web, hat vor einiger Zeit einen Artikel im lichten Web veröffentlicht, der mich einigermaßen verblüfft hat. Wer ihn jetzt lesen mag, bevor er meinen Text weiterliest, kann das hier tun:
https://www.nzz.ch/feuilleton/sie-handeln-nicht-drogen-sondern-gefaehrliche-gedankenware-ld.1384912
Die Überschrift ist clickbaiting at its best! Es ist gefährliche Gedankenware, um die es hier geht. Uh, welch wohliger Gänsehautschauer geht mir da den Rücken hinunter. Das ist ja fast wie bei Edgar Wallace!
Aber mal im Ernst, wird in diesem Artikel irgendwann Butter bei die Fische getan? Um es mit den Worten Adrian Lobes zu sagen: Mal schauen!
Als erstes kommt ein sinnloses, absolut bescheuertes Symbolbild. So nennt man die Belästigung mit gestellten, retuschierten Fotos aus Fotodatenbanken, die mittlerweile zu jedem Zeitungsartikel gehören. Sie sagen: Wir waren zu faul oder zu blöd, authentisches Material mitzugeben, deswegen klatschen wir euch diesen Müll hierhin, paßt schon!
Herr Lobe steigt ins Thema ein, indem er uns erstmal erklärt, was wir mit dem Dark Web assoziieren, aber das wußte ich schon. Er schreibt dann weiter: “Unter dem Rubrum «Intellectual Dark Web» (IDW) hat sich nun aber in den USA ein Netzwerk von Intellektuellen formiert, die keine Waffen oder Drogen handeln, sondern Gedankenware an den Gatekeepern etablierter Medien vorbei in den öffentlichen Diskurs schleusen.”
Gatekeeper etablierter Medien… Sie schleusen Gedankenware in den Diskurs… Menetekelnd und merkwürdig raunend geht es weiter: Klandestiner Handel mit Ideen.
Herr Lobe kommt selber ziemlich klandestin daher. Was will er uns sagen? Daß es da Leute gibt, die auf irgendeine Weise kommunizieren, sich gegenseitig kennen und gefährliche Dinge in den nicht näher definierten öffentlichen Diskurs einbringen wie Fluor in Trinkwasser?
Nachdem er wenig spezifische und ebensowenig substantielle (anderswo abgeschriebene) Feststellungen über Eric Weinstein u. a. getroffen hat, folgt ein Abschnitt, überschrieben mit Ideologische Orte. Und das ist jetzt natürlich ein guter Punkt: Es geht um Ideologie.
Behauptet Herr Lobe. Über Weinstein schreibt er jetzt: “Wenn er sich in der Fachwelt kein Gehör verschaffen kann, dann eben auf der Cyberagora, deren Community andere erkenntnistheoretische Maßstäbe anlegt.” [Rechtschreibung und Grammatik von mir korrigiert.]
Als wer, bitteschön? Die nicht näher definierte Fachwelt entscheidet, was erkenntnistheoretisch von Interesse ist. Das Wort anders genügt, um zu diskreditieren. Aber ich bin froh, daß ich anders bin als Herr Lobe.
Weiterhin schreibt er in Anführungszeichen, was er übersetzt hat, einen Text von Eric Weinstein, der im Original so lautet:
“You have to understand that the I.D.W. emerged as a response to a world where perfectly reasonable intellectuals were being regularly mislabeled by activists, institutions and mainstream journalists with every career-ending epithet from ‘Islamophobe’ to ‘Nazi’.”
Ich übersetze das so: “Sie müssen verstehen, daß das IDW erwuchs als eine Antwort auf eine Welt, in der absolut vernünftige Intellektuelle regelmäßig von Aktivisten, Institutionen und Mainstream-Journalisten mißinterpretiert und mit allen möglichen karrierebeendenden Beinamen von Islamophober bis Nazi belegt wurden”.
Man kann über Übersetzungen streiten, aber perfekt räsonierende Intellektuelle anstatt absolut vernünftige? Hier zeigt Herr Lobe ausnahmsweise Kreativität.
Im weiteren Verlauf stellt er dar, daß die Mitglieder des IDW nicht in den klassischen Medien vorkommen, aber große Resonanz in den neuen digitalen Medien finden. Das kann man unbestritten stehen lassen. Aber was ist mit Sätzen wie diesem hier?
“Peterson geißelt den Egalitarismus und Genderismus in westlichen Gesellschaften und beglaubigt dieses Denken mit biblischen Quellen.” [Rechtschreibung korrigiert.]
Peterson geißelt (wie ein religiöser Fanatiker), beglaubigt und verwendet biblische Quellen. Laut Lobe.
Ich behaupte: Herr Lobe hat sich überhaupt nicht ernsthaft mit Peterson, seinen Auftritten, Büchern, Aussagen etc., befaßt, er schreibt nur irgendwo ab, verwendet Stanzen und tut so, als hätte er Wissen über das, was er hier zu beschreiben versucht.
Seine Ahnungslosigkeit will er kaschieren, indem er auf der emotionalen Ebene negative Assoziationen schürt, um Peterson in ein schlechtes Licht zu stellen.
Der ganze Artikel gipfelt dann in folgendem: “Die Verlinkungsstruktur des World Wide Web, in dem sich auch allerlei Unrat wie Verschwörungstheorien und Haßkommentare verfängt, mag ein Webfehler sein. Das Internet ist aber noch immer ein Ort, wo Ideen jenseits geistiger Protektionismen wie Denkverboten und Sprachregelungen frei flottieren können.” [Rechtschreibung korrigiert.]
{Randbemerkung: Im WWW verfängt sich auch so etwas wie die NZZ. Aber das mit dem Webfehler ist ein toller Sprachwitz, englisch pun. Das ist sowas von witzig, das werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen. Wenn ich bis dahin dement genug bin.}
Und darin liegt das Gefährliche, von dem die Überschrift dräuend schwadronierte? Oder ist es die schwer zu beantwortende Frage, “ob die Protagonisten des IDW wirklich eine Gegenöffentlichkeit schaffen wollen, von der alle profitieren, oder doch nur eine weitere Nische für Eingeweihte und Hartgesottene”? Liegt die Gefahr also in der Nische?
Herr Lobe beantwortet das nach dem Alarmismus, mit dem er seinen nichtssagenden Müll begonnen hat, mit einem lapidaren “mal schauen”.
Warum, Herr Lobe, haben Sie Ihren Artikel dann überhaupt veröffentlicht? Und welchen Aufwand haben Sie betrieben, um diese Sammlung von Klischees, Lügen und Halbwahrheiten zu erzählen über einen Topos, von dem Sie soviel verstehen wie der Ochse vom Klavierspielen?
Mal schauen.
Für alle, die wirklich (!) wissen wollen, was das Intellectual Dark Web ausmacht, empfehle ich dieses Video:
https://www.youtube.com/watch?v=PagNM_oxssE