Im letzten SZ-Magazin, Heft 31/2017, ging es um die Polizei. Klar, der Nachhall von G20 usw. Und es ging um das Marketing der Polizei. Anders gesagt, um ihr Getwittere. Wer etwas auf sich hält, twittert. Wer hätte gedacht, daß der dritte Weltkrieg eines Tages per Twitter erklärt würde? Dagegen ist ja Bohlens Schlußmachen per SMS eine höflich-ausführliche Variante moderner Kommunikation.
Aber ich schweife ab: Es geht darum, daß die SZ in Gestalt ihres Mitarbeiters Wolfgang Luef kritisch hinterfragt, warum Polizei wie twittern muß bzw. sollen dürfte. Oder müssen sollte.
Es fängt damit an, daß die Überschrift des Interviews Witz, komm raus! lautet. Das legt nahe, daß die Polizei mit ihren Tweets witzig sein will, aber durch das Wollen das Sein kompromittiert wird, da das Wollen stärker als das Können ist. Da ist was dran, finde ich, denn ich kann nicht verstehen, warum Polizei-Tweets zusätzliche Dimensionen brauchen im Vergleich mit den üblichen Presseverlautbarungen von Polizeidienststellen.
Außer man unterstellt, daß die Polizei sich nicht von Karnickelzüchtern, Waffenherstellern und Parteien unterscheidet. Wer im Kapitalismus etwas sein will, muß sich darstellen. Vorzugsweise so, wie er gesehen werden will. Diese Selbstdarstellung der Polizei ist das, was Herr Luef aufs Korn nimmt: Obwohl die Gewerbekommissarin, Frau Yvonne Tamborini, die allem Anschein nach in Berlin für den Twitter-Account der deutschen Polizei schlechthin zuständig ist, sagt, daß das Twittern der Imageförderung dient, also dem Polizei-Marketing, spricht er im Anschluß von einem hochoffiziellen Kanal. Da darf man erst einmal fragen, was ein hochoffizieller Kanal ist. Da fiel mir bislang nur das Amtsblatt ein. Daß Twitter jetzt auch dazugehört, ist mir neu. Ich müßte mal mit meinem Rechtsanwalt klären, ob Aussagen, die mir per Twitter zugehen, Rechtskraft besitzen.
Aber was stößt dem Herrn Luef hier wirklich sauer auf? Dieser Satz aus einem Tweet der Polizei:
“Vier Frauen und ein Mann wollten Klamotten und Klamottinnen klauen.”
Über die Frage, ob das ein guter Witz ist, will ich nicht streiten, das ist kompliziert. Aber eines ist klar: Aus irgendeinem Grund macht sich der Autor des Tweets über ein Phänomen lustig, das auch ich zum Kotzen finde, nämlich die Ideologisierung unserer Sprache. Aber Herr Luef ist weit entfernt von einer solchen Problematisierung und verkürzt, wie alle, die ideologisierte Sprache hip und angesagt finden, auf die Aussage: “Die Polizei parodiert da geschlechtergerechte Sprache über einen hochoffiziellen Kanal.”
Ja, und das mit Recht! Ich wünsche mir, das würden noch viel mehr Leute und Institutioninnen tun! Geschlechtergerecht! Das heißt im selbstgerechten Duktus der Verfechter solcher Sprachvergewaltigungen, daß nur der gerecht ist, der so dumm daherschwätzt. Wenn einer meint, er würde etwas zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen, wenn er von Studierenden spricht, anstatt den korrekten Terminus Studenten zu benutzen, dann nimmt er die Realität als Wunschvorstellung wahr.
Und was viel schlimmer ist: Diese Form der Sprachverhunzung führt zu einer erheblichen Behinderung der Rezeption von Texten. Ich bin sowieso ein manisch getriebener, aber mir hilft es, wenn ich Texte entgendere. Dazu verwende ich diesen Stift:
https://www.amazon.de/gp/product/B00260VN6C/ref=oh_aui_search_detailpage?ie=UTF8&psc=1
Mit dem kann man mit zwei Strichen fein säuberlich aus
Die Bürgerinnen und Bürger Somalias leiden unter…
das hier machen:
Die Bürger Somalias leiden unter…
Und ich sage Ihnen: Es ist eine unvergleichliche Wohltat, die zweite Variante lesen zu dürfen. Die erste läßt mich nämlich immer fragen, was der Autor eigentlich von mir will, das reißt mich aus dem Kontext, ruft meinen Widerspruch hervor und lenkt meine Gedanken völlig weg vom eigentlichen Thema.
Die ganz schlimmen Sachen kann aber auch dieser SAKURA Pinselstift PIGMA BRUSH, dunkel sepia, nicht korrigieren: Die Menschen jüdischen Glaubens, die man früher Juden nannte.
Aber ich glaube, daß man einen Autor, der gelegentlich von -innen und -e(r)n schreibt, gerade noch goutieren kann, aber wenn er von Flüchtenden schreibt oder von Migrantinnen und Migranten, dann kann man wohl nicht mehr davon ausgehen, daß er noch bei klarem Verstand ist. Demzufolge würde ich von einer Lektüre dann auch Abstand nehmen.
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PS: Die Überschrift ist eine Parodie auf den Wahn, der sich in den Blättern für deutsche und internationale Politik breitgemacht hat. Aus einer normalen Überschrift wird dort
Eine normale Überschrift oder: Wie Überschriften unser Sein verändern
Oh, Herr, laß Hirn regnen…