Am 11. November 2016 erschien der Abschlußbericht der sogenannten Studie zum Zustand der sogenannten Generation What. Warum unter dem Titel das Datum in der Form
11. November, 2016
gedruckt ist, bleibt eine offene Frage an den Zustand unseres Schulsystems.
Viel wichtiger ist jedoch zu fragen, warum dieser Müllberg an Daten überhaupt veröffentlicht worden ist. Von einer Studie zu sprechen, verbietet sich nämlich bei dem völlig unwissenschaftlichen Vorgehen:
Wie die Verfasser des Berichts selber gleich zu Beginn schreiben, wurden die Teilnehmenden “nicht kontrolliert als Stichprobe aus einer Grundgesamtheit ausgewählt”, sondern hatten sich freiwillig zur Teilnahme entschieden.
Bei einer wissenschaftlichen Studie wird eben aus guten Gründen vorab die Fragestellung definiert, die Grundgesamtheit bestimmt, die Größe und Struktur (!) der benötigten Stichprobe errechnet und dann genau die Frage beantwortet, für die das Studiendesign entwickelt wurde. (Die Struktur war im vorliegenden Fall erstens gar nicht kontrollierbar und zweitens rein zufällig.)
In diesem Online-Spektaktel ist all das nicht der Fall, denn diese sogenannte Studie “wurde entwickelt, um Nutzer mit Hilfe eines spielerischen und interaktiven Fragebogens dazu anhalten, über sich selbst zu sprechen und ihre Meinung zu äußern”. (Eine Art Online-Fun-Projekt also…)
Da wurde so etwas wie ein Online-Game entwickelt, an dem sich beliebige Menschen emotional ein bißchen abarbeiten konnten, ohne jede Kontrolle darüber, wer da die Antworten eingegeben hat, in welchem Zustand, wie oft, unter welcher vorgetäuschten Identität auch immer. Und am Ende wird großkotzig von 160.000 Teilnehmern gesprochen!
Nein, von Nutzern. Sie schreiben tatsächlich, es hätten Nutzer teilgenommen. Warum nicht gleich User? Oder Userinnen? Klingt super, oder?
“Methodik und Stichprobenbeschreibung” nennen die Autoren drei kurze Absätze auf Seite 3 und eine kleine Tabelle auf Seite 4 für die Methodik und eine bunte Seite 5 mit Tortendiagrammen und einer prozentualen Verteilung in einer Tabelle für die Stichprobenbeschreibung. Unfaßbar! (Alles natürlich in großen Lettern, schön bunt, so richtig im Stil des responsiven Webdesigns: Knallbuntes Ballon-Layout ohne belastende Fakten.)
Von Methodik erkenne ich da nichts, da steht nur wolkiges Gefasel. Eine solche Untersuchung, die sich mit 160.000 Teilnehmern brüstet, aber ohne jegliche Methodik vorgenommen wird, ist eine Unverschämtheit sondersgleichen!
Die Frechheit schlechthin ist die Aussage im vorletzten Absatz auf Seite 3:
“Um eine über alle Fragen hinweg gleichmäßige Stichprobe zu erhalten, wurden nur die Fälle in die Analysen einbezogen, die höchstens 20 Fragen unbeantwortet ließen.”
Und dann: “Um eine für die Altersgruppe repräsentative Stichprobe zu erlangen, wurde eine Randsummengewichtung durchgeführt”.
Man gibt also zu Beginn schon zu, daß der Begriff Studie deplaziert ist, schmeißt dann aber jede Menge wissenschaftliches Vokabular wie Nebelkerzen hinterher, um eben doch zu überdecken, daß das Ganze ein Haufen gequirlte Scheiße ist.
Problematisch finde ich nämlich nicht zuletzt, die Öffentlichkeit mit zahllosen Aussagen aus dieser sogenannten Analyse zu konfrontieren, die allesamt keiner wissenschaftlichen Betrachtung standhalten, damit aber auf illegitime Weise eben Fakten zu schaffen, die im Nachgang kaum zu widerlegen sind.
Diese Studie ist genauso ein postfaktischer Quark wie das Getwittere von Trump. Beteiligt an diesem sicherlich nicht ganz billigen Blödsinn sind (was Deutschland angeht):
BR (Bayerischer Rundfunk)
SWR (Südwestdeutscher Rundfunk)
ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen)
Ein kommerzielles Unternehmen namens Sinus, Partner von Integral, Wien
Der sogenannte Abschlußbericht ist nicht einmal unterschrieben, kein einziger Autor wird namentlich genannt. (Ich hätte mich auch geweigert, meine Unterschrift unter solch eine Scheiße zu setzen.)
Der BR schreibt auf seiner Website (Link):
Europäischer Abschlussbericht “Generation What?“
Europas Jugend hat nur wenig Vertrauen in Politik und Institutionen
Was für eine Chuzpe! Man schreibt von einem europäischen Abschlußbericht! Als wenn das Ganze irgendwie von Europa legitimiert wäre, am Ende ein Projekt der Europäischen Kommission wäre. Nein, das Projekt wurde laut BR vom EBU koordiniert. Klingt ja toll, EBU! Wer weiß denn, was das ist? Dazu mache ich mal eine Online-Studie!
Es ist die Europäische Rundfunkunion. Klar, man macht sich seine Inhalte eben im Zweifel auch mal selber. Nur weiter so. Als ich klein war, waren Journalisten für mich großartige Menschen mit einem Beruf, der mir ehrenvoll und wichtig erschien, kultur- und verantwortungstragend. An der Bedeutung hat sich für mich nichts geändert, vom Rest ist nichts mehr übrig.